Das „innere Spiel“ der Unternehmensnachfolge (1)
Was man von Yogis für fokussierte Entscheidungen lernen kann…
Das „äussere Spiel“ kann jeder…
Seit nun über 20 Jahren begleiten wir mittelständische Unternehmer bei Fragen der Unternehmensnachfolge und des Unternehmens-verkaufs. Für diese speziellen Bereich gibt es inzwischen unzählige Berater, die sich alle durch ihre einzigartige Branchenexpertise und Prozesseffizienz differenzieren wollen. Diese auf die technokratische Umsetzung eines Prozesses ausgerichtete Herangehensweise bezeichnen wir als das „äussere Spiel“. Die Optimierung nach Kaufpreis, Transaktionsgeschwindigkeit und ‑sicherheit sind aus unserer Sicht aber nur nur Hygienefaktoren.
Das „innere Spiel“ entscheidet…
Der entscheidende Erfolgsfaktor wird aus unserer Sicht von diesen Investmentbankern aber ausgeklammert: Hinter jedem Unternehmen steht ein Mensch mit all seinen Wünschen, Hoffnungen und auch Ängsten. Und für diesen Unternehmer geht es im Zweifel weniger um Effizienz und Expertise, sondern darum, dass sich eine Lösung für seine Fragestellung auch stimmig anfühlt. Das Bauchgefühl muss stimmen und die innere Überzeugung das Richtige zu tun.
Entscheidend ist das „innere Spiel“– auch wenn das von den klassischen M&A‑Beratern so nie thematisiert werden wird.
Im Folgenden wollen wir deshalb einen kleinen Blick hinter die Kulissen und auf das innere Spiel der Unternehmensnachfolge werfen. Und was man von Yogis lernen kann dieses Spiel zu meistern.
Einsame Entscheidungen – von Yogis lernen Ruhe und Klarheit zu gewinnen
Wenn in Hollywood Filmen das Bild des erfolgreichen Unternehmers gezeigt wird, sieht ihn man meistens vor einem leeren Schreibtisch nachdenkend in die Ferne blickend. Als ob er alle Zeit der Welt hat, um über eine einzige Frage nachzudenken.
Mit unserer Realität der operativen Hektik hat das oft wenig zu tun – aber trotzdem zeigt es doch das das Bild des erfolgreichen Unternehmers davon geprägt ist, einsame Entscheidungen treffen zu müssen.
Solche einsamen Entscheidungen gibt es nicht jeden Tag, vielmehr sind es Fragen, für die es innerhalb der Organisation keine Sparringspartner gibt. Sind die Kinder als Nachfolger geeignet und auch bereit dazu? Wie trennt man sich von Geschäftspartnern ohne dass die Firma daran zerbricht? Wie geht es weiter, falls ich einmal gesundheitliche Probleme bekommen sollte? Soll ich deshalb die Firma verkaufen – oder gibt es noch andere Optionen? Und wie kann der Wert des Unternehmens bei einem möglichen Verkauf optimiert werden, um danach ein sorgenfreies Leben zu führen?
In allen Religionen gibt es das Ritual des bewussten Rückzugs vor wichtigen Entscheidungen im Leben. Klausur oder Retreat – je nach kulturellem Hintergrund. Das Ziel ist es innere Ruhe und Klarheit zu gewinnen. Ein Gefühl für sich selbst wiederzufinden. Vom Lärm der Welt abgeschottet in sich hineinzuhorchen und zu fühlen.
Ein gutes Bauchgefühl entwickeln
Dafür ist es notwendig in einem ersten Schritt innere Ruhe und einem gewissen Abstand zum operativen Geschäft zu gewinnen. Klarheit, wie langfristig Ihre persönlichen Ziele als Unternehmer mit den strategischen Notwendigkeiten für das Unternehmen zusammenpassen. Durchatmen und Analyse bilden dabei eine Symbiose. Ein gutes Bauchgefühl entwickeln.
Genau dieses Bauchgefühl ist aber analytisch so schwer zu greifen. Denn obwohl alle Sachargumente nach einer Bewertung und Gewichtung und nochmaligen Analyse für eine bestimmte Entscheidung sprechen kann trotzdem ein diffuses Unbehagen bleiben.
Und hier kommen die Yogis ins Spiel. Während eines Retreats mit mehreren Stunden Meditation täglich über Tage, Wochen oder sogar Jahre begeben sie sich in eine Reise ins Innere. Nutzen Atemtechniken, um den unruhigen Geist zu zähmen.
Aber sich einfach nur zwei Tage unter einen Baum setzen kann sehr entspannend sein, bringt aber oft nur bedingt weiter.
Aus unserer Erfahrung ist es für uns westlich und analytisch geprägte Menschen sehr hilfreich eine gewisse Struktur auf der Reise ins Innere und zum Konkretisieren des diffusen Bauchgefühls zu haben.
Fokussierung auf einen Perspektivwechsel
Dies kann durch einen bewussten Perspektiv-wechsel entstehen, wie er in Focusing-Techniken verwendet wird. Dabei geht man davon aus, dass es für jede zu treffende Entscheidung vier Perspektiven sind die stimmig sein sollten.
Nehmen wir einfacherweise die Frage, ob ein Unternehmer, den ich Herrn Gerber nenne, seine Firma verkaufen soll.
Der Kopf …
Als erstes gibt es die kognitiv rationale Sicht auf diese Frage. Hier zählen die Fakten, die strategische Logik einer möglichen Transaktion, die Unternehmensbewertung, die sich aus den Planzahlen für die nächsten Jahre ableiten lässt. Natürlich weiß Herr Gerber – inzwischen 63 Jahre alt — dass er sich irgendwann mit dem Thema der Unternehmensnachfolge befassen muss. Und er weiß auch, dass die Gerber GmbH mit seinen Patenten, Kunden und qualifizierten Mitarbeitern eine wirkliche Perle ist, die für eine Reihe von Käufern interessant sein sollte. Aus logischer Sicht wäre jetzt der beste Zeitpunkt für einen Verkauf. Warum fühlt es sich dann aber nicht rund an?
Hier kommen wir zu den drei anderen Perspektiven, die das Bauchgefühl ausmachen – die emotionale, körperliche und visuelle Ebene.
Die Emotionen…
Auf der emotionalen Ebene einer solchen Entscheidung werden bei Herrn Gerber werden starke Gefühle geweckt wenn er über den Verkauf des Lebenswerkes nachdenkt. Wie wird das von den Mitarbeitern wohl aufgenommen? Als Chance oder als Versuch sich die Taschen voll zu machen und sie dann ihrem Schicksal zu überlassen? Fühlt es sich richtig an genau an einen möglichen Konkurrenten zu verkaufen? Sind diese Menschen Herrn Gerber sympathisch? Und da ist dann auch noch seine Frau, die immer öfter damit anfängt, dass es doch nun an der Zeit wäre kürzer zu treten und mehr Zeit mit Reisen zu verbringen….
Wie fühlt sich das an?
Die dritte relevante Kategorie ist die der körperlichen Empfindungen. Der Schritt das Lebenswerk abzugeben, geht oft mit körperlichen Symptomen einher. Bei Herrn Gerber haben schon Krisen im Unternehmen für schlaflose Nächte und leichte Herzbeschwerden geführt. Das ganze Unternehmen zu verkaufen und das Leben neu zu sortieren verbunden mit der Angst vielleicht über den Tisch gezogen zu werden ist da sicher nochmal ein ganz anderes Kaliber von Stress. Die Aussage, wenn ich nur daran denke krieg ich Bauchkrämpfe“ spricht hier Bände.
Wo sehe ich mich?
Die vierte Ebene sind Bilder und Vorstellungen, die bei Herrn Gerber entstehen, wenn er über seine neue Rolle nach dem erfolgten Verkauf nachdenkt. Sieht er sich entspannt mit einem Drink auf dem Golfplatz, beim Urlaub mit der Familie, als gefragter Berater anderer Unternehmer, als Manager des eigenen Family-Office – oder hat ein Bild von sich als taubenfütternder Rentner auf der Parkbank.
Nachfolge muss nicht einsam sein
Unsere Erfahrung bei Nachfolgesituationen hat uns immer wieder gezeigt, wie wichtig es ist diesen Prozess allein oder geführt zu durchlaufen, bevor man eine solche einsame Entscheidung trifft. Dann falls man der Logik die Lufthoheit überlässt und das Bauchgefühl verdrängt, kommt es zu einem späteren Zeitpunkt im Prozess zu einem Konflikt. Dann ist es oft zu spät für einen Retreat und es bleiben nur zwei Optionen – abbrechen oder durchziehen um jeden Preis. Die auch anderen Optionen im Ärmel zu haben – einen Plan B — ist dann oft vergeben.